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Kann Leipzigs neues Flugzeugwerk wirklich die Luftfahrt verändern? So stehen die Chancen

Der Flugzeugbauer Deutsche Aircraft will am Airport Leipzig/Halle Luftfahrtgeschichte schreiben. Doch kann das Regionalflugzeug D328eco wirklich ein Erfolgsbringer werden? Und wo könnte die Maschine überhaupt fliegen? Ein führender Experte und der Hersteller geben Antworten.

Lesedauer: 4 Minuten

Leipzig. Mehr Sitzplätze, ein verlängerter Rumpf und ein großer Schritt hin zum nachhaltigen Fliegen: Ihrem Vorgänger, der Dornier 328, ist die neue D328eco in vielerlei Hinsicht überlegen. Mit der Weiterentwicklung des bekannten und legendären Vorgängers will der Hersteller Deutsche Aircraft von Leipzig/Halle aus das Fliegen ein Stück weit revolutionieren.

Am Airport in Schkeuditz soll das Modell ab Anfang 2026 gebaut werden. Und die Erwartungen, die der Fabrikant weckt, sind groß: Nicht weniger als den Beginn eines neuen Luftfahrtkapitels hat die Deutsche Aircraft versprochen.

Experte: Produktionszahlen werden nicht an Airbus A320 heranreichen

Doch kann das tatsächlich gelingen? Hat das neue Turboprop-Flugzeug mit seinen 40 Plätzen wirklich das Zeug dazu, Leipzigs Flugzeugwerk groß rauszubringen?

Heinrich Großbongardt, einer der führenden deutschen Luftfahrtexperten, äußert sich differenziert. Es sei ohne Frage erfreulich, dass es in Deutschland überhaupt ein solches Projekt gebe, betont er auf Nachfrage. Gleichzeitig mahnt der Fachmann: „Andererseits darf man seine Bedeutung nicht überschätzen.“ Das liege allein schon an den Kapazitäten.

Viele Regionalflugzeuge gelten als veraltet

Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt: „Insgesamt stehen die Chancen nicht schlecht."
Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt: „Insgesamt stehen die Chancen nicht schlecht.“
Quelle: Heinrich Großbongardt

„Selbst wenn die D328eco den erhofften kommerziellen Erfolg erreichen sollte, wird dies ein Flugzeug bleiben, dessen Produktionszahlen bei Weitem nicht an die einer A320 heranreichen werden.“ So habe selbst ATR in Toulouse, der aktuell dominierende Hersteller von Regionalverkehrsflugzeugen, im vergangenen Jahr nur 35 Maschinen gebaut. Zur Einordnung: In der Endmontagelinie am Flughafen Leipzig/Halle sollen künftig bis zu 48 Flugzeuge jährlich vom Band laufen.

Sollte es mit der D328eco tatsächlich gelingen, die Betriebskosten um 40 Prozent zu senken, sehe ich durchaus Chancen. – Heinrich Großbongardt, einer der führenden deutschen Luftfahrtexperten

Das führt zur Frage, ob es überhaupt den Bedarf für Regionalflugzeuge gibt. Großbongardt sieht durchaus Potenzial: „Insgesamt stehen die Chancen in diesem Marktsegment nicht schlecht.“ Denn auch der Experte weiß: Fast alle Flugzeuge, die mit unter 50 Sitzen unterwegs sind, gelten als technisch veraltet.

„Sie haben hohe Betriebskosten, entsprechen nicht mehr heutigen Komfortstandards, haben schlechtere Flugleistungen und einen höheren Treibstoffverbrauch.“ Sollte es mit der D328eco tatsächlich gelingen, die Betriebskosten um 40 Prozent zu senken, sehe er durchaus Chancen.

Blick in den geplanten Hangar: Im künftigen Werk am Flughafen Leipzig/Halle sollen Maschinen des Typs D328eco endmontiert werden.
Blick in den geplanten Hangar: Im künftigen Werk am Flughafen Leipzig/Halle sollen Maschinen des Typs D328eco endmontiert werden.
Quelle: Deutsche Aircraft

Deutsche Aircraft sieht „weltweiten Markt“

Darauf weist auch Nico Neumann hin, Co-Chef des Flugzeugbauers mit Hauptsitz in Oberpfaffenhofen bei München. „Wir haben einen weltweiten Markt“, betont er auf Nachfrage. Für den künftigen Einsatz gibt es laut Neumann verschiedene Möglichkeiten. Und ein Klischee will er gleich abräumen: Es handele sich keineswegs um ein Flugzeug, das sich nur reiche Menschen als Privatjet leisteten.

„Wir sprechen in vielen Fällen von Essential Air Service. Also der Anbindung von Regionen, die sonst nicht angebunden sind.“ Hier kommt der D328eco zugute, dass sie nur kurze Start- und Landebahnen benötigt. Die Reichweite liegt bei gut 1800 Kilometern – dabei kann das Flugzeug auf über 9000 Meter Höhe steigen. Damit eignet sich die Maschine auch für Direktverbindungen zwischen kleineren Regionalflughäfen.

Passagierflüge, mobile Klinik, Militär: Viel Potenzial für D328eco aus Leipzig

Das Flugzeug kommt laut Neumann nicht allein für den klassischen Passagiertransport infrage – er sieht einen breiten Markt. Ein Beispiel ist der ADAC: Dieser  als fliegendes Krankenhaus mit Platz für bis zu zehn Patienten ein. Oder Frontex: Die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache lässt die Turboprop-Maschine Aufklärungsmissionen im Mittelmeerraum fliegen. Größter Betreiber der Dornier 328 ist derzeit das US-Militär: Die 19 Maschinen starten für Truppen- und Materialtransporte oder Spezialmissionen.

Wir haben einen weltweiten Markt. – Nico Neumann, CEO der Deutschen Aircraft

Experte Großbongardt sieht die USA auch darüber hinaus als möglichen Markt für den modernen Nachfolger. Hier hätten viele kleinere Städte den Anschluss an den Luftverkehr verloren. „Die Fähigkeit, von relativ kurzen, unbefestigten Pisten aus zu operieren, macht das Flugzeug auch für Afrika und Asien interessant“, ergänzt er. Voraussetzung sei, dass es gelinge, das Flugzeug zu einem wettbewerbsfähigen Preis anzubieten.

Ministerpräsident Michael Kretschmer (r.) und Aircraft-CEO Nico Neumann: Der Grundstein für das Flugzeugwerk ist gelegt
Ministerpräsident Michael Kretschmer (r.) und Aircraft-CEO Nico Neumann: Der Grundstein für das Flugzeugwerk ist gelegt
Quelle: Michael Strohmeyer

Großer Schritt hin zum klimafreundlichen Fliegen?

Für Aufsehen sorgt die D328eco noch aus einem anderen Grund: Das Flugzeug – und die Fertigung in Leipzig/Halle – sollen einen wichtigen Beitrag hin zum klimafreundlichen Fliegen leisten. So ist die Endmontagelinie darauf ausgelegt, klimaneutral zu produzieren. Und das Flugzeug kann zu 100 Prozent mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden – damit lässt sich der CO₂-Ausstoß nach Herstellerangaben um bis zu 95 Prozent reduzieren.

Wird Leipzigs Flugzeugwerk also Vorreiter in Sachsen klimafreundliches Fliegen? Experte Großbongardt mahnt, diesen Aspekt nicht überzubewerten. Zweifelsohne sei es gut, dass die Triebwerke vollsynthetisches Kerosin verbrennen könnten. „Das ist derzeit aber ohne Relevanz“, betont er: Die verfügbaren Mengen an klimafreundlichen Kraftstoffen seien viel zu gering, um einen Regelbetrieb zu ermöglichen. „Angesichts der hohen Kosten wäre es ohnehin wirtschaftlicher Selbstmord“, betont er.

Doch bevor es überhaupt ans klimafreundliche Fliegen geht, stehen für die Deutsche Aircraft jetzt andere Aufgaben an: Es bleiben bis zum geplanten Fertigungsbeginn Anfang 2026 nur noch wenige Monate, um das Flugzeugwerk aus dem Boden zu stampfen. Die Zeit drängt am Airport Leipzig/Halle.

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