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„Hohe Strompreise in Leipzig machen uns zu schaffen”: Standort verliert an Attraktivität – Firmen frustriert

Leipzigs Unternehmen geraten durch explodierende Strompreise und steigende Steuern massiv unter Druck. Eine Umfrage zeigt jetzt: Die Attraktivität Leipzigs sinkt rapide. Stellen Firmen den Standort infrage?

Lesedauer: 3 Minuten

Leipzig. Seit nunmehr 35 Jahren ist das Gebäudereinigungsunternehmen Reuter & Schreck am Markt. Vor allem unter zunehmender Bürokratie habe die Firma mit Sitz in Bad Lausick zu leiden, sagt Firmenchef André Schreck. „Die öffentlichen Ausschreibungen werden immer komplexer. Die Liste der zu beachtenden Richtlinien und Gesetze vom Land und von der EU immer länger.“

Seit diesem Jahr kommt die gesetzliche Pflicht zur Arbeitszeiterfassung dazu. „Nur sagt mir keiner, wie ich das sinnvoll umsetzen soll“, so Schreck.

IT-Unternehmen würden entsprechende Software anbieten, aber gerade in seiner Branche lässt sie sich schwer anwenden. „Unsere Beschäftigten sind an wechselnden Orten, um zu reinigen. Sich ständig ein- und auszuloggen, betrachten sie als Schikane. Das Ganze macht wenig Sinn.“

Wie André Schreck, leiden viele Firmen in Mitteldeutschland unter der Last der Bürokratie, wie eine Umfrage zur Standortzufriedenheit erneut deutlich macht.

Firmen vergeben schlechtere Schulnoten

Gegenüber der letzten Analyse dieser Art im Jahr 2019 sank die durchschnittliche Gesamtbewertung von 2,7 auf 2,9. Wobei die Firmen die einzelnen Faktoren wie in der Schule mit Noten zu bewerten hatten.

Neben einer Zunahme der Bürokratie beklagt der überwiegende Teil der befragten Firmen die zu langen Genehmigungsverfahren der Verwaltungen sowie die zu hohen Preise für Gas und Strom. Kritik gibt es von den Industriebetrieben, Händlern und Dienstleistern auch an der Höhe der Grundsteuern sowie an der allgemeinen Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit.

Die Jahre der Ampelregierung, das muss man klar feststellen, waren für die Wirtschaft verlorene Jahre. – Sascha Gläßer, IHK Halle-Dessau

An der Umfrage haben sich insgesamt 1238 Unternehmen aus 26 Städten beteiligt. Alle fünf Jahre führen die Handwerkskammern sowie der Industrie- und Handelskammern der Region diese Befragung durch.

Firmenchef sieht Vorteile im Umland von Leipzig

Alexander Aischmann gehört mit seiner Leipziger Firma Aischmann Präzisionstechnik zu jenen Betrieben, die ihren Firmensitz lieber außerhalb der Großstadt hätten. „Wir sind ein sehr energieintensives Unternehmen, die hohen Strompreise in Leipzig machen uns sehr zu schaffen“, sagt der Firmenchef. Auch seien die Steuern in Leipzig höher als etwa im Umland.

Alexander Aischmann bedrückt noch etwas anderes: „Immer mehr große und auch namhafte Firmen in Deutschland, aber auch in unserer Region kommen angesichts der wirtschaftlich schwierigen Bedingungen in Schieflage, müssen Personal entlassen oder sogar Insolvenz anmelden. Darunter sind auch Kunden von uns“, sagt er. Prominentes Beispiel in Leipzig sei der Straßenbahnbauer Heiterblick. Er hoffe sehr, dass die Politik die Tragweite der Entwicklung endlich erfasse und gegensteuere.

„Gefühlt kommt jeden Tag eine neue Baustelle hinzu”

Peter Gebauer drücken andere Sorgen. Der Leipziger Spediteur hat, wie er sagt, die Nase voll vom Verkehr in der Messestadt. „Gefühlt kommt jeden Tag eine neue Baustelle hinzu. Meine Leute stehen immer länger im Stau. Verdienen lässt sich so nichts mehr.“

Gerade komme der Auftrag für einen Wohnungsumzug rein. „Früher hätte ich gesagt: Kommt, lasst uns loslegen! Heute geht das nicht mehr so einfach. Denn vor dem Wohnhaus verläuft ein Radweg“, erzählt der Chef des Umzugsunternehmens Gebauer.

Ohne einen Antrag zu stellen, dass der Umzugs-Lkw auf dem Radweg parken darf, geht es heute nicht. „Es muss eine Halteverbotszone eingerichtet, Schilder mit der Aufschrift ,Ende des Radwegs‘ und ,Beginn des Radwegs‘ aufgestellt werden, vermutlich weil die Radfahrer sonst den Lkw nicht erkennen würden“, sagt Gebauer. Mehr Bürokratie beklagt der Spediteur auch bei der Zulassung seiner Fahrzeuge. „Alles dauert länger.“

Unterschiede zwischen Groß- und Kleinstadt

Matthias Forßbohm kann den Frust des Spediteurs gut verstehen, wie er sagt. Zwischen den großen und kleineren Städten und den dort ansässigen Unternehmen gibt es Unterschiede in der Bewertung der Bedingungen, sagt der Präsident der Handwerkskammer zu Leipzig. In Großstädten wie Leipzig und Halle seien beispielsweise die Firmen weit weniger mit dem Verkehrsfluss oder der Verfügbarkeit von Parkplätzen zufrieden als etwa in Wurzen oder Borna.

„Ein entscheidender Grund für das Sinken der Zufriedenheit dürfte in der Verschlechterung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen der vergangenen fünf Jahre liegen, die mit einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und einer großen Verunsicherung in der Unternehmerschaft einherging“, bewertet Sascha Gläßer, Präsident der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau, die Ergebnisse der Umfrage. „Die Jahre der Ampelregierung, das muss man klar feststellen, waren für die Wirtschaft verlorene Jahre.“

In den vergangenen fünf Jahren habe sich die Kostensituation für die Firmen verschlechtert, sagt Kristian Kirpal, Präsident der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig. „Ob Grundsteuer, Energiepreise oder Gebühren – überall gibt es deutliche Steigerungen.“

Zwar habe es in den vergangenen Jahren auch externe Ereignisse wie die Corona-Pandemie oder den Ukraine-Krieg gegeben, die zu Belastungen führten, so Kirpal. Dennoch würden die maßgeblichen Gründe der Kostensteigerungen in strukturpolitischen Versäumnissen der Politik liegen. Die Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Unternehmen habe darunter stark gelitten.

Hoffnung setzen die Kammerchefs in die neue Regierung. Diese sollte umsteuern: „Wirtschaft muss endlich wieder Priorität haben, auf allen politischen Ebenen. Sonst zahlen wir bald den Preis für politisches Zögern – gesellschaftlich wie wirtschaftlich“, ergänzt Thomas Keindorf, Präsident der Handwerkskammer Halle.

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