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Abgleiten in die Geschichte: Bohrloch bei Hoske soll 250 Meter tief werden

Das Deutsche Zentrum für Astrophysik plant Großes unter der Oberlausitz: Ein Untergrundlabor soll ganz neue Möglichkeiten schaffen. Doch insgeheim heißt die Hoffnung „Einstein-Teleskop“. Jetzt geht es darum, die ruhigsten Ecken der Welt zu finden.

Lesedauer: 2 Minuten

Katrin Demczenko

Wittichenau. Diese Bohrung erlaubt einen Blick in die Erdgeschichte – und in die Geschichte der Oberlausitz. An einem Feldrand steht relativ unscheinbar ein Bohrgestänge. Bauleiter Johannes Müller der Firma Pruy KG erklärt anhand von Bohrkernen: Die Bohrung erreicht jetzt 84 Meter Tiefe und befindet sich im festen Granodiorit-Massiv. In zwei Monaten sind die Arbeiten in 250 Metern Tiefe beendet und Messgeräte werden eingebracht.

Ab August 2025 stehen erste verlässliche Messwerte zur Verfügung, die die vorhandene Ruhe unter der Erdoberfläche dokumentieren, erklärt Katharina Henjes-Kunst, die Gesamtprojektleiterin zur Etablierung des Deutschen Zentrums für Astrophysik (DZA) in der Lausitz. Für das Untergrundlabor des Großforschungszentrums wird der ruhigste Standort möglichst ohne einwirkende überirdische Störquellen gesucht. Verursacher von Erschütterungen sind Tagebaue, der Schienen- und Straßenverkehr sowie Windparks.

Sogar die Osterreiter werden erforscht

Um explizit Auswirkungen großer Windräder in 200 Metern Tiefe zu erforschen, wird eine Probebohrung in Thonberg bei Kamenz erfolgen, sagt Christian Stegmann. Sogar den Zug der Osterreiter zeichnen die Messinstrumente in Cunnewitz seit drei Jahren auf. So verbindet die Lausitz jahrhundertealte Traditionen mit modernster Astrophysik.

Seit 2022 untersucht das DZA das Granodiorit-Massiv zwischen Hoyerswerda, Kamenz und Bautzen, um dort mit Geldern aus dem Strukturwandel-Budget in 200 Metern Tiefe ein hochmodernes Untergrundlabor zu bauen. Dieses soll kosmische Gravitationswellen einfangen, damit Wissenschaftler Ereignisse im All besser erforschen können, erklärt Elaine Jentsch im Wittichenauer Ortsteil Hoske. Sie ist Abgeordnete des Sächsischen Landtages. In dem Dorf läuft jetzt, nach Cunnewitz, die zweite Probebohrung. Weitere sechs Bohrungen sollen folgen, erfährt Dr. Andreas Handschuh, Chef der Sächsischen Staatskanzlei, von Professor Christian Stegmann. Der Wissenschaftler ist erster Direktor des Bereichs Astroteilchenphysik am DESY in Zeuthen bei Berlin und vertritt auch das DZA.

Hoffnung aufs „Einstein-Teleskop“

Das Untergrundlabor soll, so wünschen es sich die Forschenden, in die Nähe des geplanten Gravitationswellen-Interferometers „Einstein-Teleskop“ kommen. Es ist eines der wichtigsten europäischen Großforschungsprojekte mit weltweiter wissenschaftlicher Tragweite, erklärt Stegmann.Er hofft, dass circa 2027 Wissenschaftler und Politiker der beteiligten Länder gemeinsam sinnvoll entscheiden, wo das Teleskop aufgebaut wird.Bewerber sind die Lausitz, das Dreiländereck Deutschland – Belgien – Niederlande und ein ehemaliges Bergwerk auf der italienischen Insel Sardinien.

„Das Einstein-Teleskop steht im Koalitionsvertrag“, verkündet der Vertreter des DZA. Die Bundesregierung bekenne sich zu dem Vorhaben. Eine zügige, gut durchdachte Planung soll die erwartbar hohen Kosten im Rahmen halten. „Wir brauchen auch so große wirtschaftliche und wissenschaftliche Projekte für ein freies Europa“, sagtChristian Stegmann. Katharina Henjes-Kunst, die Gesamtprojektleiterin vom DZA, spricht von einer Kooperationsvereinbarung mit tschechischen Hochschulen, die bald unterzeichnet wird. Auch Verbindungen zu polnischen Wissenschaftlern werden geknüpft.

Wir brauchen auch so große wirtschaftliche und wissenschaftliche Projekte für ein freies Europa. – Professor Christian Stegman, Wissenschaftler und Vertreter des Deutschen Zentrum für Astrophysik

Christian Stegmann lobt den guten Kontakt zu den Behörden der Landkreise Bautzen und Görlitz. Maik Hübschmann vertritt bei der Veranstaltung das Landratsamt Bautzen. Er ist dort für das Thema Strukturwandel zuständig. Der Bürgermeister von Wittichenau, Markus Posch, versteht die Bohrungen als positives Signal für die Lausitz. Die Region brauche tragfähige Entwicklungsperspektiven für die Zeit nach der Kohle.

SZ

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